Flugdurchführung/IFR
IFR fliegen in Italien

Grundsätzlich gibt es zum Thema "IFR in Italien" deutlich weniger Besonderheiten als zum Thema VFR, da die Standardisierung im IFR-Bereich grundsätzlich weltweit deutlich größer ist als bei VFR. Einige Erfahrungen und Besonderheiten seien allerdings hervorgehoben:

- Im Routenfeld des Flugplans sind im italienischen Luftraum keine DCTs zulässig (mit einer Ausnahme: dort, wo es keine SIDs oder STARs, dafür aber so genannte CPs, Corresponding Points, siehe RAD, gibt.) Im Gegensatz zu Deutschland sind bei SIDs und STARs im Flugplan nicht deren komplette Bezeichnungen anzugeben, sondern nur derjenige Waypoint, an der die SID aufhört bzw. die STAR beginnt.

- Leider ist die Dichte der Lower Airways in ganz Italien nicht sehr hoch, so dass sich bei IFPS-konformen Routings oftmals recht große Umwege ergeben. Auch in der Praxis lassen sich dann nicht immer Shortcuts erzielen. Insbesondere bei Flügen über die Alpen ist man routenmäßig etwas eingeschränkt; es gibt in Nord-Süd- bzw. Süd-Nord-Richtung quasi nur zwei Möglichkeiten: eine westliche, welche grob über Zürich und den Lago Maggiore führt, sowie eine östliche, welche grob der Brennerroute folgt. Bei diesen liegen die Minimum-Höhen zwischen FL140 und FL170, es ist also Sauerstoff nötig. "Diagonale" Routen über die Alpen lassen sich IFPS-konform nicht planen; in der Luft kann man aber gelegentlich dann doch gewisse Shortcuts bekommen.

- Eigentlich gilt dies generell, aber eben umso mehr auf Flugreise in Italien: Geben Sie nur Flugpläne auf, bei denen Sie 100%ig sicher sind, dass sie auch genehmigt werden, sprich bei Eurocontrol ein "ACK" produzieren. Denn speziell im Ausland kann hier und da schon mal die gewohnte Kommunikationskette nicht funktionieren und es gibt schließlich nichts Schlimmeres als im Flieger zu sitzen, start-up zu requesten und gesagt zu bekommen, der Flugplan liege nicht vor. Noch schlimmer ist dies bei Z-Flugplänen, wo man von sowas ja im Zweifel erst erfährt, wenn man schon in der Luft ist. Daher: Unbedingt nur validierte Routen filen. Dies fällt ja glücklicherweise dank diverser Tools, welche ohnehin vorab eine Validierung vornehmen (Autorouter, Rocketroute, DFS-Portal) heutzutage nicht mehr so schwer.

- Die Funkverfahren beim IFR-Fliegen in Italien entsprechen weitestgehend dem Standard, und die IFR-Lotsen sind meist auch gut verständlich. Die zuständigen Funkstationen heißen "Radar“ oder, im Bereich der CTRs, „Approach". Die Funkabdeckung ist in der Regel gut, speziell in Süditalien kommt es aber vor, dass sich die Funkbereiche zweier angrenzender Sektoren auf der MEA nicht ganz überlappen.

- Es besteht in Italien von Seiten der Flugsicherung deutlich weniger Flexibilität (als z.B. in Deutschland), was Directs / Short Cuts betrifft. Hier muss teils einfach nur etwas hartnäckig insistiert werden. Gelegentlich ist man aber aufgrund der Luftraumstruktur (Restricted Areas!) o.ä. komplett an einen Airway bzw. das gefilte Routing gebunden. Hier ist wie immer ein bisschen Fingerspitzengefühl und Geschick gefragt. In jedem Fall sollte man aber ausreichend Treibstoffreserven mitführen - und ein bisschen Geduld! Tipp: Directs, welche das Flugzeug aus dem kontrollierten Luftraum herausführen würden, werden grundsätzlich von ATC nicht angeboten (dies steht so auch in der AIP). Der Pilot kann dies aber von sich aus erbitten, denn IFR im Luftraum G ist in Italien nicht grundsätzlich verboten. Also, es lohnt sich, gelegentlich etwas initiativ zu sein. Der Flug wird dann nach "pilot's decretion" fortgeführt, d.h. der Pilot ist z.B. für die terrain clearance selbst verantwortlich. Der Einflug in bzw. der Ausflug aus dem italienischen Luftraum muss allerdings häufig mehr oder weniger exakt über einen IFR-Waypoint erfolgen.

- Die IFR-Mindesthöhen (MEAs) liegen in vielen Teilen Italiens deutlich höher als in Deutschland. Über den Alpenrouten liegen diese zwischen FL120 und FL170, aber auch über dem Apennin und weiten Teilen des Südens liegen sie bei FL100-FL120. Mehr noch: Auch in der Poebene liegen sie nie unter FL70, meistens jedoch bei FL80-FL120 (nicht unbedingt direkt wegen Hindernissen sondern aus flugsicherungstechnischen Gründen). Diese Dinge sind in Hinblick auf die Performance des Flugzeugs, die Sauerstoffausrüstung und auf das Wetter (CBs, Eis, etc.) zu berücksichtigen. Auch hier ist es aber gegebenenfalls möglich, auf Anfrage letztlich unterhalb der MEAs zu fliegen, da ja, wie oben angesprochen, IFR in Italien grundsätzlich auch im unkontrollierten Luftraum möglich ist.

- Es bleibt jedoch in Italien. Teilweise funktioniert der Datenaustausch von Flugplänen nicht so perfekt. Daher kommt es - selbst IFR -schon mal vor, dass eine ATC-Stelle, an die man gerade übergeben wurde, keine Kenntnis des Fluges hat, was dann manchmal sogar dier Rückfrage "are you VFR or IFR?" führt. Nicht verzagen; einfach noch mal die wesentlichen Flugdaten durchgeben und dann geht es schon irgfendwie weiter.
    
- IFR-Anflüge können grundsätzlich, wie in Deutschland, sowohl an kontrollierten als auch an unkontrollierten Plätzen (mit "AFIS") stattfinden, solange diese über Instrumentenanflugverfahren verfügen. Analog können IFR-Abflüge nur dann stattfinden, wenn eine SID vorhanden ist. An allen anderen Plätzen muss (es sei denn es gibt veröffentlichte CPs) nach VFR angeflogen und nach VFR gestartet werden.

- Visual Approaches unter IFR sind an vielen Flughäfen leider verboten.

- Einige mittelgroße Flughäfen in in Mittel- und Süditalien (z.B. Ancona LIPY und Lamezia Terme LICA) haben übrigens gar kein Radar. Entsprechend gibt es dort auch keine Vectors. Man muss dann die Anflüge stets "prozudural" fliegen, also die kompletten Verfahren, teilweise mit Procedure Turn, teilweise mit DME-Arcs; in Deutschland ja mittlerweile außerhalb des IR-Trainings sehr ungewöhnlich.

Zum Anflug auf Plätze ohne IFR-Anflugverfahren: In vielen Fällen sieht die italienische AIP ausdrücklich vor, dass bei IFR-Flügen zu kleinen Plätzen ohne Anflugverfahren (also mit Y-Flugplan) während des Sinkflugs eine Entscheidung getroffen wird: Entweder der Instrumentenanflug eines nahe gelegenen Flughafens wird abgeflogen und, wenn danach ausreichende Wetterbedingungen bestehen, wird nach Sicht zum Zielplatz geflogen (also eine Art Cloudbreaking Procedure). Sind solche Bedingungen nicht gegeben, muß nach dem Instrumentenanflug auf dem soeben angeflogenen Flughafen gelandet werden. Oder alternativ: Es wird während des Sinkflugs bei guten VFR-Bedingungen frühzeitig IFR gecancelt und dann direkt nach VFR zum Zielplatz weitergeflogen. Diese Entscheidung ist dem zuständigen Controller rechtzeitig mitzuteilen, da man, falls man nach VFR anfliegen möchte, aufgrund der hohen IFR-Minima sehr früh canceln und den Sinkflug beginnen sollte.

Zum Start von Plätzen ohne SID: Es gelten dieselben Dinge wie z.B. in Deutschland, d.h. dass man wohl oder übel nur nach VFR, d.h. mit einem Z-Flugplan starten kann. Eigentlich verwundert dies, denn in Italien ist - im Gegensatz zu Deutschland - IFR in Luftraum G nicht grundsätzlich verboten. Dennoch ist das IFPS so programmiert. Der Flugplan wird also wie in Deutschland gefilt, d.h. im Routenfeld trägt man ein:

[Erster IFR-Waypoint]/[Speed][Flight Level] IFR …….

und in Feld 18 kommt ein Estimate für den ersten IFR-Waypoint. In das Feld für die Flughöhe kommt zunächst „VFR“.

Die zuständige Frequenz für den IFR-Pickup lässt man sich am besten von der Flugleitung am Startflugplatz geben, bzw. man findet sie auch auf den SID-Karten der nahe liegenden Flughäfen. Alternativ ruft man nach dem Start erst einmal den zuständigen FIS und lässt sich von dem dann an den IFR-Lotsen weitergeben. In jedem Fall dauert nach meiner Erfahrung der IFR-Pickup in Italien meist deutlich länger als in Deutschland (u.a. wegen der teils recht hohen MEAs, teilweise aber aich wegen der viel schlechteren Koordination); in einigen Fällen muß man über dem Startflugplatz zunächst kreisend steigen, bis die Freigabe vorliegt. Das gilt es zu berücksichtigen. Um die Zeiten zu verkürzen ist es daher angeraten, während des Rollens die Flugleitung (bei AFIS-Plätzen) zu bitten, Kontakt mit der zuständigen Kontrollstelle aufzunehmen und diese über den unmittelbar bevorstehenden Start zu informieren (dies ist im Fall von z.B. Roma Urbe und Milano Bresso gar auch explizit so vorgeschrieben).

- Im Fall eines reinen IFR-Abflugs hingegen ist, wie in Deutschland, vom Turm bzw. mittels AFIS eine Startup-Clearance einzuholen, wobei Parkposition und Flugziel zu übermitteln sind.

- Es gelten die üblichen Grundsätze zum Thema ATFM (Slots, CTOT, etc.), also auch bezüglich der Vorlaufzeit für die Aufgabe von IFR-Flugplänen. Nach meiner Erfahrung ist aber unabhängig davon (wie in Deutschland) eine Stunde immer völlig ausreichend; meist sogar noch deutlich weniger, denn IFR-Pläne werden ja automatisch und nahezu simultan an die betroffenen Stellen distribuiert.

- Sobald klar ist, dass eine EOBT (also die vorgesehene Zeit für das Abrollen) um mehr als 15 (!) Minuten überschritten wird, ist eine delay- bzw. change-message zu übermitteln!

- Es ist laut AIP Italien möglich und gar vorgesehen, dass VFR-Flüge mit Flugplan bei Wetterverschlechterung auf IFR wechseln.

- Gebührentechnisch bestehen in Italien bei einem IFR-Flug keinerlei Unterschiede zu einem VFR-Flug. d.h. die Flughäfen erheben keine gesonderten IFR-Anfluggebühren; Streckengebühren gibt es bei Fliegern unter zwei Tonnen MTOW auch nicht.

- Es gibt in Italien bisher leider nur wenige LPV-Anflüge. Meist gibt es diese bei Plätzen, die ohnehin auch ILS-Anflüge haben.

- Gerade aufgrund der Tatsache, dass die Flugplanung und Flugdurchführung nach VFR in Italien teilweise so anspruchsvoll und komplex ist, bietet es sich für denjenigen, der IFR hat, geradezu an, in Italien zumindest auf längeren Flügen IFR statt VFR zu fliegen. Dies ist meist sprechfunktechnisch deutlich entspannter. Außerdem ist auch die bodennahe Turbulenz (welchen man im Raum Mailand und im Raum Raum aufgrund der entsprechenden Lufträume der Klasse A bei VFR-Flügen zwangsweise ausgesetzt wird) besonders im Sommer nicht ohne, während man z.B. in FL100 oft schon „drüber“ ist. Die IFR-Routings sind allerdings in der Regel einen Tick länger und außerdem liegen, wie schon erwähnt, die Mindesthöhen recht hoch.


© Philipp Tiemann
flugdurchfuehrung